Notenbanken mit Paukenschlag – Dax rutscht tief ins Minus

Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Das haben inzwischen auch die Notenbanker eingesehen. Diesseits wie jenseits des Atlantiks hatte man den Währungshütern von Federal Reserve und Europäischer Zentralbank allzu zögerliches Verhalten vorgeworfen angesichts der seit Monaten galoppierenden Inflation.
Fed verkündet größten Zinsschritt seit 1994
Mittlerweile haben sich beide Zentralbanken dazu entschlossen, das Ruder herumzureißen – und zwar umso beherzter. Die jüngsten Zinsentscheidungen der Fed sowie der EZB hielten die Akteure an den Finanzmärkten auch in den vergangenen Wochen wieder in Atem.
Inzwischen ist klar: Die US-Notenbanker um Fed-Chef Jerome Powell haben sich zu einem drastischen Zinsschritt entschlossen. Um satte 75 Basispunkte steigt der US-Leitzins und liegt damit nun bei einer Spanne von 1,5 bis 1,75 Prozent. Es war die höchste Anhebung auf einen Schlag seit 1994. Noch im laufenden Jahr peilt die Fed weitere Schritte an, bereits im kommenden Jahr könnte der Leitzins damit wieder auf 3,5 bis 4 Prozent ansteigen.
EZB beginnt im Sommer mit Zinswende
Im Euro-Raum steht die Zinswende dagegen noch bevor, wurde zuletzt von Vertretern der EZB aber immer konkreter umrissen. Zum 1. Juli soll das milliardenschwere Anleihekaufprogramm auslaufen. Bei der Ratssitzung am 21. Juli soll dann die erste Anhebung des Leitzinses seit mehr als einem Jahrzehnt beschlossen werden. Angestrebt ist zunächst eine moderate Steigerung um 0,25 Prozent. Ein weiterer, je nach Inflationsdynamik möglicherweise auch größerer Schritt wird für September erwartet.
Das Risiko der Notenbanker ist offensichtlich: Ihre Aufgabe ist es, Währungsstabilität zu garantieren. Dazu soll eine stabile Inflationsrate von rund 2 Prozent dienen. Bereits seit dem vergangenen Sommer liegen die Teuerungsraten im Euro-Raum, aber auch in den USA weit jenseits dieser Zielmarke. Tatsächlich erreichte die Inflation zuletzt mit jeweils mehr als 8 Prozent den höchsten Stand seit gut 40 Jahren.
Inflationsbekämpfung erhöht Rezessionsrisiken
Die nun eingeleiteten Zinsanhebungen aber drohen an anderer Stelle für Ungemach zu sorgen: Es droht ein Abwürgen der sich gerade erst von der Pandemie erholenden Konjunktur und ein Abgleiten in die Rezession. Dies wiederum könnte für die Menschen Jobverlust und Einkommenseinbußen nach sich ziehen, während zugleich die Rückzahlung von Krediten mit steigendem Leitzins immer teurer wird. Sparguthaben hingegen werden wohl weiterhin geringere Zinsen abwerfen, es dürfte eine Weile dauern, bis auch hier das Niveau wieder soweit anzieht, dass es sich für Sparer lohnt, Geld jenseits von Anleihe- und Aktienmärkten zu parken.
In Europa droht indes noch eine ganz andere, wohlbekannte Gefahr: Weil die Länder der Währungsunion haushaltspolitisch stark unterschiedlich aufgestellt sind, befürchten Beobachter eine neue Euro-Krise. Bei der EZB geistert seit einiger Zeit das Schlagwort der „Fragmentierung“ umher, was nichts weniger bedeuten würde als den Zerfall des Euro-Raums in verschiedene Teile – konkret: einen recht gut dastehenden Norden und einen problembehafteten Süden.
Droht eine Neuauflage der Euro-Krise?
Allzu gut erinnert man sich überall in Europa noch an das Drama um Griechenland vor rund 10 Jahren, an die Sorge, mit Italien könnte die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone in Schieflage geraten, oder an die in nächtlichen Marathon-Sitzungen beschlossenen Hilfsmilliarden für Länder wie Irland.
Dementsprechend nervös ist die Stimmung am Parkett. Corona, Inflation, Ukraine-Krieg, Energie-Krise und Zinswende sorgen für eine schwierige Gemengelage. In Frankfurt ging der Dax am Freitag zwar mit einem kleinen Tagesplus von 0,7 Prozent bei 13.126 Punkten aus dem Handel. Die Woche beendete Deutschlands Leitindex jedoch tiefrot mit einem Minus von 4,6 Prozent.