Ohne Klimaschutz ist die Stahlindustrie verloren

Bei der Stahlindustrie gibt es aktuell kein anderes Thema. Der Klimaschutz hält die Branche auf Trab. Getrieben werden die Debatten von den vielen Faktoren, die künftig auf die Branche zukommen: die Umstellung auf Wasserstoff, der politische Druck wie etwa das Gesetzespaket Fit for 55 der Europäischen Union und die drohende Kostenexplosion durch Stromkosten und CO2-Preise.
Zusätzlich birgt der Wettbewerb mit Ländern wie China ein hohes Risiko. Sollte die Politik keinen guten Kompromiss zwischen Import und Strafzöllen aus China finden, bekommen wir zwar günstigen, aber auch CO2-intensiven Stahl, der die Stahlindustrie in Europa zum Erliegen bringen würde. Die Branche versucht große Investitionen zu stemmen. thyssenkrupp möchte beispielsweise die Wasserstoff- Tochter Nucera an die Börse bringen. Das IPO soll bis zu 600 Mio. € in die Kassen spülen. Eine Entscheidung soll noch in der ersten Jahreshälfte fallen. Um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, ist jedoch mehr notwendig.
Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) ergab, dass bis dahin bereits ein Drittel der Stahlproduktion auf CO2-arme Produktionsverfahren umgestellt sein müsste. Für BCG ist die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, die politischen Rahmenbedingungen anzupassen. Die Bundesregierung müsse jetzt schnell die Weichen stellen, um die Transformation in Gang zu bringen. Erste Maßnahmen werden mit der Abschaffung der EEG-Umlage geschaffen. Das Bundesfinanzministerium will dies bereits im Sommer umsetzen. Dadurch würden die Produktionskosten der energieintensiven Stahlproduktion erheblich geschmälert. Zusätzlich plant die Bundesregierung, Gas als Brückentechnologie einzusetzen, um die wegfallenden Kohlekraftwerke zu ersetzen.
Wenn dann die Wasserstoff-Infrastruktur etabliert ist, können diese Erdgaskraftwerke günstig auf Wasserstoff umgerüstet werden.
Fairer Handel für die Stahlindustrie
Mit zunehmenden Standards in den Bereichen Klimaschutz, Luftreinhaltung und Politik erhöht sich der Druck auf die europäischen Stahlpreise. Konkurrenten in China, Indien und der Türkei, die im Vergleich nur milde Auflagen erfüllen müssen, können günstiger produzieren und liefern so Stahl nach Europa zu einem unschlagbaren Preis. Neben den Kosten durch hohe Standards wird die Konkurrenz zusätzlich durch staatliche Subventionen gestärkt und kann so die Marktanteile weiter ausbauen.
Gegen diese Marktverhältnisse kann kein europäischer Stahlhersteller, egal wie gut er aufgestellt ist, ankommen. Daher fordern Stahlunternehmen und -Verbände das Einschreiten der Welthandelsorganisation (WTO). Wenn die Wettbewerbssituation so bleibt, wird es schwierig für Metall- und Stahlkonzerne, die Umstellung auf neue und klimaneutrale Technologien zu bewältigen und sich im Markt zu halten. Außerdem würde die Abhängigkeit von der außereuropäischen Konkurrenz steigen. Besonders durch die vor kurzem erlebten Krisen wie Lieferkettenprobleme, Materialmangel und die Corona-Krise wurde deutlich, wie wichtig es ist, Kernindustrien lokal zu halten.