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Italexit: Italiens Wirtschaft wäre am Boden

Italexit: Italiens Wirtschaft wäre am Boden
esfera / Shutterstock.com
Inhaltsverzeichnis

Unternehmer und Investoren kennen die Bedeutung einer Exit-Strategie. Sie setzt konkrete Ziele und Pläne voraus, um bei gravierenden Veränderungen das Beste herauszuholen. Was zählt, sind nüchterne Fakten. Wer aber Zahlen schönrechnet und meint, bestimmte Gesetzmäßigkeiten austricksen zu können, landet schnell und hart in der Realität.

Fehlende Ausstiegs-Strategie

Haben Wunschdenken und Trotz zum Brexit geführt, geht seit den Wahlen in Italien das Gespenst eines Italexit – ein Austritt Italiens aus der Eurozone und die Abkehr vom Euro – um. Die bemüht wirkende Wortkonstruktion steht für eine knallharte Bedrohung, deren Folgen bislang lediglich in Szenarien beschreibbar sind. In Großbritannien liegen die Zahlen bereits auf dem Tisch. Mit einem Wirtschaftswachstum im ersten Quartal 2018 von 0,1 % ist das Land der kranke Mann Europas.

Italien indes konnte, so wie Deutschland und Frankreich, um 0,3 % zulegen. Bei einem Italexit aber würde es abwärts gehen, was schon insofern auf der Hand liegt, als Italien nicht mit Großbritannien vergleichbar ist, das immerhin mit London den bedeutendsten Finanzplatz der Welt besitzt. Dass sich Großbritannien verspekuliert hat, hält einige Köpfe in Rom nicht davon ab, auf „Italy first“ zu setzen.

Der Unterschied: Es geht nun offenbar weniger um einen EU-Austritt, sondern ums Verlassen der Eurozone. Das Dumme: Ein Ausstiegsszenario ist in Brüssel bislang tabuisiert worden, es fehlt eine überzeugende Exit-Strategie. Was die Märkte nervös macht, denn auch die Eurogegner in der neuen Regierung Italiens haben offenbar keinen durchdachten Plan. Die erkennbare Strategie zielt vielmehr auf einen spieltheoretischen Vorteil ab: mit hohen Schulden dem Rest Zugeständnisse abtrotzen.

Szenario eines Italexit

Bleibt die EU hart, droht ein Ausstieg Italiens aus dem Euro: der Italexit. Ob die Gemeinschaftswährung dann ganz zerbricht oder am Ende sogar gestärkt oder in neuer Form daraus hervorgeht, ist derzeit nur Spekulationssache. Der größere Verlierer aber dürfte Italien sein.

Im schlimmsten Fall kommt es zu einem raschen Währungswechsel mit Kapitalkontrollen, damit die Bürger ihr Geld nicht in Massen von der Bank holen. Allerdings sind sie mittlerweile vorgewarnt, der von der Lega geplante Überraschungscoup ist bekannt.

Dann könnte Rom versuchen, sich seiner Schulden zu entledigen, indem es entweder einfach nicht zahlt oder einen offiziellen Lira-Kurs festlegt, der dem des Euro nahekommt. Weil dies aber schon bald dem Druck seitens der Finanzmärkte und damit der Realität nicht standhält, kommt es zu einer massiven Abwertung der Lira. Parallel schnellen die Zinsen für Anleihen in die Höhe, was die Staatsfinanzierung weiter erschwert.

Die ersten, die unter den Folgen leiden, sind Geldinstitute. Selbst die Kurse der Vorzeigebank Intesa Sanpaolo würden einbrechen, natürlich auch die von Unicredit oder Ubi Banca. Und die mit Mühe gerettete Traditionsbank Banca Monte dei Paschi, Siena, die noch auf dünnem Eis läuft, würde endgültig zusammenbrechen. Von dem Sog würde auch der Versicherungskonzern Generali erfasst.

Flexible Lirakurse bringen mehr Nachteile

Am Beispiel Generali, das zahlreiche deutsche Versicherer hält, sowie Unicredit mit der Hypovereinsbank zeigt sich ein weiteres Problem: Sie können mit verschiedenen Währungen hausintern nur noch schwer planen. Dies betrifft auch alle anderen Unternehmen, die über die im Euroraum aktiv sind. Der angebliche und oft propagierte Vorteil flexibler Wechselkurse für die Exportwirtschaft erweist sich schnell als Farce.

Italien müsste nicht nur viel teurer importieren, auch würde die Inflation das Geld der Konsumenten fressen. Von der Kapitalvernichtung an der Börse in Mailand ganz abgesehen. Wollte Italien einen harten Kurs mit den Feindbildern EU und Deutschland konsequent durchziehen, würde es sich zunehmend isolieren, Investitionskapital und an den Finanzmärkten Vertrauen verlieren: der Abstieg in die Drittklassigkeit.

So lassen sich die angekündigten Wahlgeschenke wie Rücknahme der Rentenreform, Mindesteinkommen etc., die über 100 Mrd. Euro im Jahr verschlingen, erst recht nicht finanzieren. „Italy first“, wo nach dem Vorbild von Donald Trump alles eine Deal ist, mit dem man andere erpresst, funktioniert nicht. Italien ist nicht Amerika, das sich mit seiner Leitwährung hoch verschulden kann.

Feindbilder mit politischem Bumerangeffekt

Politisch kommt eine weitere Dynamik hinzu: Wenn sich Staaten im Gefühl fehlender nationaler Selbstbestimmung aus einem Verband wie dem Euro oder der EU lösen, verlagern sich die Feindbilder schnell aufs eigene Land, gefolgt von Unabhängigkeitsbestrebungen: Katalonien und Schottland sind zwei Beispiele. Und in Italien flammt der Konflikt Nord gegen Süd umso heftiger auf.

Nicht zu vergessen, dass ausgerechnet die nationalistische Lega noch vor kurzem als Lega Nord die Abtrennung der reicheren nördlichen Regionen auf den Fahnen hatte. Für sie dürfte ein Italexit definitiv zum Bumerang werden. Die Fünfsterne-Bewegung in der Koalition scheint indes flexibler. Auch sind nach aktuellen Umfragen ca. 70 % der Italiener für den Euro.

Ob es den Hardlinern gelingt, sie für ein Referendum gegen den Euro umzustimmen, bleibt abzuwarten. Zumindest können die Italiener, anders als die Briten, kaum der romantischen Illusion einer „Splendid Isolation“ eines vormaligen Weltreichs verfallen.