Mittelstandsanleihen: Geldvernichtung oder clevere Anlageidee?

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Gut geführte deutsche Mittelstandsunternehmen versprechen meist gute Börsengewinne. Dies zeigt sich unter anderem auch in der Entwicklung des Mittelstands-Index MDAX, der in der letzten 15 Jahren um mehr als 300% zugelegt hat.

Zum Vergleich: Der deutlich bekanntere DAX-Index, in dem vor allem Großkonzerne zu finden sind, konnte von Juli 2001 bis Juli 2016 gerade mal etwas über 60% zulegen. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob auch Mittelstandsanleihen höhere Renditen versprechen als herkömmliche Unternehmensanleihen?

Um die Frage zu beantworten, zunächst ein kurzer Rückblick: Vor fünf Jahren wurde in Deutschland ein neues Börsensegment (Bondm) geschaffen, das speziell für Mittelständler entwickelt wurde. Über dieses Börsensegment sollten sich kleine und mittelgroße Unternehmen frisches Geld beschaffen können – und zwar unabhängig von Banken.

Mittelstandsanleihen: Vorteile der alternativen Finanzierungsform

Die Idee dahinter: Mittelständler werden von den Banken und deren strikter Kreditvergabepolitik unabhängiger, Privatanleger können sich im Gegenzug über eine ansehnliche Renditen freuen. Tatsächlich lockten viele Mittelständler wie KTG Agrar oder German Pellets mit 7% Zinsen. Damit waren mit Mittelstandsanleihen deutlich höhere Zinsen möglich als mit herkömmlichen Unternehmensanleihen.

5-jährige Anleihen der Deutschen Telekom bringen zum Beispiel weniger als 0,4% Zinsen, bei anderen Dax-Firmen wie Siemens, BASF oder Daimler sieht es nicht viel besser aus (0,1 bis 0,3% Rendite). Bei Anleihen von Unternehmen aus der zweiten Reihe wie ThyssenKrupp winken immerhin noch etwas höhere Zinsen (2,3 bis 2,75%).

Mittelstandsanleihen: Hohe Ausfallquote kratzt am Image der Anlageform

Renditemäßig fahren Anleger mit Mittelstandsanleihen erstmal besser. Doch was auf dem Papier zunächst wie eine gute Anlageidee aussieht, entpuppte sich im Nachhinein oft als Geldvernichtungsmaschine, denn nicht nur die Anleihen von KTG Agrar und German Pellets sind mittlerweile ausgefallen.

Auch Anleger, die Anleihen von Steilmann, der MS Deutschland, Schneekope oder anderen Mittelständlern (Friedola Holzapfel) zeichneten, gingen am Ende weitgehend leer aus. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) beziffert den Schaden durch Mittelstandsanleihen inzwischen auf 900 Mio. €.

Die Bilanz seit 2010: Von den etwa 165 Mittelstandsanleihen sind bis dato bereits 40 ausgefallen – dies bedeutet eine Ausfallquote von immerhin 25%. Eine derart hohe Ausfallquote weisen nicht mal sogenannte High-Yield-Bonds auf (Ausfallquote: 1 bis 2%), die oftmals mit einer ähnlichen Rendite aufwarten können.

Kein Wunder also, dass sich die Börse Stuttgart bereits Ende 2014 aus dem Markt für Mittelstandsanleihen zurückzog. Die Gründe für das Scheitern sind vielfältig. Neben einen für Investoren undurchsichtigen und illiquiden Markt, spielt sicherlich auch die mangelnde Qualität der Emittenten bzw. Qualität der Geschäftsmodelle eine große Rolle.

Berentzen und die Stolperfalle Überzeichnung

Eine Neuemission etwa, die bei Mittelstandsanleihen Ende 2012 bis Anfang 2013 für großen Ärger sorgte, ist ausgerechnet der Schnapsbrenner Berentzen, der zuvor viele Privatanleger angezogen hatte.

Innerhalb von einer Stunde überstiegen die Kaufaufträge das gewünschte Volumen von 50 Mio. Euro. Da das Unternehmen das Papier einem möglichst breiten Publikum anbieten wollte, erhielten viele private Interessenten statt den gewünschten Stückzahlen im Wert von bis zu 15.000€ jeder Anleger nur 1.000€ in Anleihen ausgezahlt.

Da für jede Wertpapierorder jedoch eine Gebühr von rund 30€ anfällt, war in vielen Fällen der Jahresgewinn bereits verspielt – viele Anleger wurden so ungewollt zu Buy-&-Hold-Anlegern.

Fazit: Mittelstandsanleihen sind Hochrisikopapiere

Inzwischen hat sich das Marktumfeld wieder etwas gewandelt. Durch das niedrige Zinsniveau können sich viele gesunde Mittelständler wieder Geld über klassische Banken zu günstigen Konditionen besorgen. Mittelstandsanleihen werden daher nicht selten von solchen Unternehmen vergeben, die anderweitig kein Geld mehr bekommen. Auf diese Weise ist der Markt für Mittelstandsanleihen in den vergangenen Jahren zu einem Marktplatz für Sanierungsfälle verkommen.

Interessierte Anleger sollten sich daher nicht von den vermeintlich hohen Zinsen durch Mittelstandsanleihen blenden lassen. Zwar bietet der Markt für Mittelstandsanleihen durchaus auch Chancen, denn gesunde Mittelständler wie Katjes International bedienen ihre Anleihen termingerecht, allerdings schränken viele Emittenten im Emissionsprospekt die Anlegerrechte oftmals ein.

Daher ist es insbesondere für Kleinanleger unerlässlich, ein Investment in Mittelstandsanleihen genau zu prüfen und neben dem Geschäftsmodell des Unternehmens auch das Kleingedruckte im Emissionsprospekt zu beachten.

In jedem Fall müssen sich Anleger bewusst sein, dass es sich bei Mittelstandsanleihen um Hochrisikopapiere handelt – einer höheren Rendite steht somit auch ein höheres Risiko gegenüber.