BMW, Daimler, Volkswagen: Tiefrote Woche für Auto Aktien
- Musterfeststellungsklage: Verbraucherschützer verklagen Daimler wegen Dieselskandal
- Kartellabsprachen: EU-Kommission verhängt Millionenstrafe gegen BMW und VW
- Kartellrechtliches Neuland
- Mehr Neuzulassungen als 2020 – aber weniger als 2019
- VDA kürzt Absatzprognose für 2021
- Chipmangel bremst Produktion aus – Beschäftigte erneut in Kurzarbeit
- VDA warnt vor schnellem Verbrenner-Aus
Es war eine schwarze Woche für die deutschen Autobauer und eine tiefrote Woche für ihre Aktien. Um zeitweise mehr als 6 Prozent brachen die Anteilsscheine von BMW, Daimler und Volkswagen auf Wochensicht ein, erst im Freitagshandel erholten sich die Kurse wieder ein wenig.
Musterfeststellungsklage: Verbraucherschützer verklagen Daimler wegen Dieselskandal
Alle drei Konzerne waren in dieser Woche in die Schlagzeilen geraten. So wird sich nach VW nun auch Daimler einer Musterfeststellungsklage im Dieselskandal stellen müssen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat eine entsprechende Klage eingereicht, rund 50.000 Kunden könnten sich anschließen. Die Klage zielt darauf ab, etwaige Schadenersatzansprüche juristisch geltend zu machen, die ansonsten Ende des Jahres wegen der dreijährigen Verjährungsfrist zu verfallen drohen.
VW hatte sich seinerzeit mit zigtausenden Kunden außergerichtlich auf Vergleiche und Zahlungen verständigt. Ganz so teuer dürfte es für Daimler indes nicht werden: Zum einen sind bei der Premiummarke Mercedes-Benz weitaus weniger Fahrzeuge betroffen als beim Massenhersteller VW und seinen Tochtermarken. Zum anderen richtet sich die Musterfeststellungsklage lediglich gegen einen bestimmten Motorentyp.
Daimler selbst hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und sittenwidrige Täuschungsmanöver abgestritten. Die verbauten Komponenten hält man für zulässig und rechtmäßig. Juristische Klarheit dürfte nun das Verfahren um die Musterfeststellungsklage bringen, was sich allerdings noch einige Monate hinziehen dürfte.
Kartellabsprachen: EU-Kommission verhängt Millionenstrafe gegen BMW und VW
Tags darauf geriet auch die Konkurrenz in die Negativschlagzeilen: Die EU-Kommission verhängte Geldstrafen im hohen dreistelligen Millionenbereich gegen BMW und Volkswagen wegen illegaler Kartellbildung. Insgesamt 875 Millionen Euro werden fällig, davon entfallen rund 373 Millionen Euro auf BMW, während Volkswagen etwa 502 Millionen Euro zahlen soll.
Die Zahlung hätte sogar noch deutlich höher ausfallen können: Einige Vorwürfe gegen BMW wurden im Vorfeld fallengelassen, Volkswagen erreichte einen Bußgeld-Rabatt durch die Kronzeugenregelung. Daimler, selbst am Kartell beteiligt, hatte die illegalen Absprachen seinerzeit auffliegen lassen und ging daher als Kronzeuge komplett straffrei aus der Sache hervor – andernfalls wären auch für die Stuttgarter Strafzahlungen in Höhe von mehr als 700 Millionen Euro fällig geworden.
Kartellrechtliches Neuland
Mit der Strafbemessung kommen die Hersteller noch relativ glimpflich davon. Das hat auch damit zu tun, dass die EU-Kommission „kartellrechtliches Neuland“ beschreitet, wie die zuständige Wettbewerbskommissarin selbst einräumte.
Bislang zielten kartellrechtliche Ermittlungen auf Preisabsprachen oder Gebietsaufteilungen, doch in diesem Fall liegen die Dinge etwas anders. Vorgeworfen wird den Herstellern BMW, Daimler, Volkswagen, Audi und Porsche, dass sie sich über Messwerte bei den „Adblue“-Tanks abgestimmt haben sollen. Diese Tanks dienen zur Verringerung des Schadstoffausstoßes. Laut Absprache sollte keiner der Hersteller einen Tank auf den Markt bringen, der die gesetzlichen Mindestvorgaben unterboten hätte.
Im Klartext: Die Ingenieure wurden daran gehindert, trotz vorhandener Möglichkeiten und Technologien umweltfreundlichere Fahrzeuge zu entwickeln, damit der Konkurrenzkampf zwischen den deutschen Autobauern nicht zu hart wird. Das war illegal, urteilte nun die EU-Kommission. BMW hat die Strafe bereits akzeptiert, die Wolfsburger hingegen wollen dagegen vorgehen.
Mehr Neuzulassungen als 2020 – aber weniger als 2019
Schlechte Nachrichten gab es in dieser Woche zudem vom Verband der Automobilindustrie (VDA). Demnach fällt die Absatzbilanz für das erste Halbjahr 2021 schwächer aus als gedacht. Zwar hat sich die Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge gegenüber 2020 wieder deutlich erhöht, liegt aber weiterhin klar unterhalb des Vorkrisenniveaus.
So lag die Zahl der Neuzulassungen im Juni nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) mit rund 274.000 Fahrzeugen knapp 25 Prozent höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – aber 16 Prozent niedriger als im Juni 2019. Eine ähnliche Tendenz hatte sich auch im Mai bereits abgezeichnet: Hier übertrafen die Neuzulassungen das Vorjahresniveau um rund 37 Prozent, blieben aber 31 Prozent hinter den Zahlen von 2019 zurück.
VDA kürzt Absatzprognose für 2021
Angesichts der schwachen Entwicklung hat der VDA nun auch seine Jahresprognose nach unten korrigiert, zumindest für den deutschen Absatzmarkt. Anstelle eines Zuwachses von 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 3,15 Millionen Fahrzeuge rechnet der Branchenverband nun lediglich mit einem Plus von 3 Prozent auf 3 Millionen Fahrzeuge. Weltweit sollen die Absatzzahlen das Vorjahresniveau um rund 9 Prozentpunkte übertreffen, wobei Regionen außerhalb Europas stärker zum Wachstum beitragen als der Heimatmarkt von BMW, Daimler und Volkswagen.
Als Hauptgründe für die vergleichsweise schwache Entwicklung der vergangenen Monate nennt VDA-Präsidentin Hildegard Müller neben den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und damit einhergehenden geringeren Konsumausgaben der Verbraucher vor allem den weltweiten Mangel an Halbleitern.
Chipmangel bremst Produktion aus – Beschäftigte erneut in Kurzarbeit
Der Chipmangel beschäftigt nicht nur die Autobranche, sondern weite Teile der Industrie bereits seit mehreren Monaten und führt nach Schätzungen des VDA zu erheblichen Produktionsengpässen auch in Deutschland. So laufen wegen des Chipmangels allein hierzulande rund 600.000 Autos weniger vom Band als eigentlich kalkuliert. Werke stehen zeitweise wieder still, Beschäftigte müssen erneut in Kurzarbeit geschickt werden. Mit einer Entspannung der Lage ist – zumindest kurzfristig – nicht zu rechnen. Es dürfte noch Monate dauern, bis wieder genügend Chips am Weltmarkt verfügbar sind, um die immense Nachfrage zu bedienen.
Benötigt werden die Chips an allen möglichen Stellen im Auto, insbesondere aber bei Automatisierung und Fahrassistenzsystemen, die zunehmend die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen sollen. Neben dem autonomen Fahren gilt der Wandel in Sachen Antriebstechnologie als fundamentale Herausforderung der Autobranche im laufenden Jahrzehnt.
VDA warnt vor schnellem Verbrenner-Aus
Mit Blick auf die grundlegenden Umwälzungen der Motorisierung warnt der VDA indes vor einem überhasteten Abschied vom Verbrennungsmotor – und verweist auf die noch immer mangelhaft ausgebaute Ladeinfrastruktur in, vor allem aber auch außerhalb Deutschlands. Fehlende Lademöglichkeiten, lange Akkuladezeiten und begrenzte Reichweitenkapazitäten gelten bis dato als größte Kaufhemmnisse, die Kunden davon abhalten, sich für ein Elektrofahrzeug zu entscheiden.
Die Stromer gelten zwar als solide Alternative im Stadtverkehr, sind jedoch für die Langstrecke den Verbrennern bislang klar unterlegen. Dies zu ändern, wird eine der zentralen Herausforderungen der kommenden zehn Jahre für die Automobilbranche sein.
Bei den Kunden beginnt allmählich das Umdenken: Inzwischen rollt eine Million elektrisch betriebener Fahrzeuge auf deutschen Straßen. Angepeilt war dieses Ziel für 2020, erreicht wurde es nun mit einigen Monaten Verspätung – immerhin.