Veoneer: Kampf um Automobilzulieferer entbrannt
Eigentlich schien die Übernahme des schwedischen Automobilzulieferers Veoneer durch den kanadisch-österreichischen Rivalen Magna International schon so gut wie in trockenen Tüchern. Die Kanadier wollten für den Spezialisten für Automobilsicherheitstechnologie 3,8 Milliarden Dollar beziehungsweise 31,25 Dollar in bar für jede Veoneer-Aktie auf den Tisch legen. Das Angebot enthielt eine Übernahmeprämie von immerhin 57%.
Doch nun funkt der US-Chipdesigner Qualcomm dazwischen und hat für den schwedischen Sensorspezialisten eine deutlich höhere Offerte aufgetischt. Die Veoneer-Aktionäre reagierten verhalten. Die Aktie rutschte zuletzt trotz des um 800 Millionen Dollar höheren Angebots in die Verlustzone, liegt aber mit 37,42 Dollar leicht über dem Angebotsniveau.
Wer hinter Veoneer steckt
Bevor wir auf das Konkurrenzangebot von Qualcom näher eingehen, möchte ich Ihnen das Objekt der Begierde erst einmal näher vorstellen: Veoneer ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich Automobiltechnologie mit Sitz in Stockholm, Schweden. Die Schweden entwerfen und entwickeln hochmoderne Software, Hardware und Systeme für den Insassenschutz sowie fortschrittliche Fahrassistenzsysteme.
Das Produktportfolio umfasst Fahrzeugradar, Mono- und Stereokameras, Nachtfahrassistenzsysteme, fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme, elektronische Steuergeräte, Airbag-Steuergeräte, Crash-Sensoren, elektronische Steuergeräte für Sicherheitsgurtstraffer und ADAS-Software für hochautomatisiertes Fahren und autonomes Fahren.
Das Unternehmen entstand 2018 als Spin-off der Autoliv Inc., eines schwedisch-amerikanischen Herstellers automobiler Sicherheitssysteme. Veoneer beschäftigt aktuell etwa 7.500 Mitarbeiter in 11 Ländern. Im Jahr 2020 belief sich der Umsatz auf 1,37 Milliarden Dollar. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) lag unterdessen bei 263 Millionen Dollar.
Magna hatte sich schon die Zustimmung der Großaktionäre gesichert
Im Zuge des ersten Angebots hatte sich Magna im Vorfeld die Verkaufszusage führender Großaktionäre von Veoneer gesichert. So haben der schwedische Pensionsfonds AMF, die Investmentgesellschaft Cevian, AP4 und Alecta, die zusammen etwa 40% der Stimmrechte halten, ihre Zustimmung zur geplanten Übernahme signalisiert.
Hintergrund der Übernahme war der geplante Ausbau der modernen Fahrer-Assistenzsystem-Technologie. Gerade in diesem Bereich gelten die Schweden als sehr innovativ. Nach Abschluss der Transaktion sollte Veoneer mit dem bestehenden ADAS-Geschäft von Magna zusammengelegt und in den Geschäftsbereich Elektronik von Magna integriert werden.
Qualcomm grätscht dazwischen
Allerdings hatte Magna International die Rechnung offenbar ohne den Wirt beziehungsweise den Chip-Konzern Qualcomm gemacht. Dieser hat nämlich überraschend eine deutlich höhere Offerte aus dem Hut gezaubert. Der Konzern bietet 37 Dollar je Aktie, was einem Gesamtwert von 4,6 Milliarden Dollar entspricht. Dabei soll die Zahlung zu 100% aus Barmitteln erfolgen. Leisten kann sich der US-Konzern den Deal allemal. Zum Quartalsende verfügte Qualcomm über 7,3 Milliarden Dollar an flüssigen Mitteln.
Chip-Konzern feuert auf allen Zylindern
Zuletzt brummten die Geschäfte bei Qualcomm: Im zurückliegenden Quartal kletterten die Umsätze um 43% auf 8,06 Milliarden Dollar. Gleichzeitig sprang der Nettogewinn deutlich überproportional von 845 Millionen Dollar auf 2,25 Milliarden Dollar in die Höhe. Die Erlöse aus dem Automobilgeschäft trugen mit 253 Millionen Dollar nur 3% der gesamten Konzernumsätze.
Automobilgeschäft rückt in den Fokus
Dieses Gewicht dürfte sich kräftig verschieben, sofern die Übernahme durchgeht. Dabei kennen sich beide Firmen gut und haben bereits eine Partnerschaft zur Entwicklung hochautomatisierten Fahrens gegründet. Erste Anwendungen sollen im Jahr 2024 auf den Markt kommen. Die Überschneidung der Produktpalette ist gering (ganz im Gegensatz zu Magna International).
Wie es weitergeht, ist noch ungewiss. In Verhandlungen mit dem neuen Bieter wird Veoneer in jedem Fall eintreten. Damit dürfte der Übernahmekrimi in die nächste Runde gehen.