Siemens: Umbau ist notwendig – wie sind die Aussichten für die Aktie?
Ab und zu mal ein paar Pfunde loswerden, hält schlank und agil. Dass Konzerne nach diesem Konzept agieren müssen, zeigt gerade ein Schwergewicht wie Siemens. Der Aktie jedenfalls tut dies gut.
Teils werden ganze Sparten verpackt und an die Börse gebracht, Infineon oder Osram sind wohl die prominentesten Fälle. Teils werden sie mit anderen fusioniert, wie jetzt die Zugsparte, die mit derjenigen von Alstom in einem Mischkonzern aufgeht. Andere werden verkauft, so das ehemalige Handygeschäft. Oder es werden unrentable Bereiche zurückgefahren, geschlossen und Jobs abgebaut.
Was die Siemens-Aktie immer wieder beflügelt, macht altgediente Siemensianer wehmütig. Viele haben in einer Zeit angefangen, als der Konzern über eine halbe Mio. Mitarbeiter beschäftigte und außer Bettwäsche und Kinderspielzeug so ziemlich alles herstellte, was mit Elektrik, Elektronik oder Energie zu tun hat.
Siemens-Aktie profitiert von Rückkaufprogramm
Da aber ein Koloss, der vor Kraft kaum noch gehen kann, gerade in der zunehmend schnelleren Welt der Digitalisierung nicht mehr mithalten kann, setzt Siemens seine Aufteilungsstrategie konsequent fort. Begonnen hat sie schon vor über 15 Jahren. Mittlerweile gibt es noch 351.000 Beschäftigte, die für bessere Profitabilität, steigende Umsätze und Gewinne sorgen.
Spätestens seitdem Konzernchef Kaeser am Ruder ist, geht der Umbau in die nächste Runde. Sein Ziel ist eine Holdingstruktur, in der jede Sparte ihr eigenes Geld verdienen muss. Läuft sie besonders gut, bringt man sie schon mal an die Börse und verdient an der Beteiligung – so wie demnächst die Medizintechnik unter dem etwas unglücklich geratenen Namen Healthineers.
Begleitet wird dies von einem massiven Aktienrückkauf-Programm, das der Siemens-Aktie zusätzlichen Auftrieb verleiht. Doch nicht alles im Umbau läuft nach Plan. Etwa die Windkraftsparte, die im Frühjahr mit der vom spanischen Anbieter Gamesa fusioniert und an die Börse gebracht wurde: Herbe Verluste haben dem Kurs die erhofften Erlöse verhagelt.
Geballte Umbaukosten drücken Gewinn
Und ist der Konzernumbau ohnehin teuer genug – letztes Jahr waren es 385 Mio. € – , zeigt der einstige Vorzeigebereich mit Kraftwerken und Gasturbinen dicke Risse. Der internationale Markt schrumpft, und in Deutschland tut die Energiewende ihr Übriges. Die Rendite ist um ein Drittel auf 10 % gesunken. Auch hier ist die Energie aus den letzten Quartalszahlen gewichen. Nicht ganz rund lief es zudem in der Prozessindustrie und bei Antrieben.
Mittlerweile steht gut ein Viertel der Konzernumsätze auf schwankendem Boden. Für ein Nachbeben sorgte jetzt die Ankündigung, weltweit gut 7.000 Stellen zu streichen, die meisten in Deutschland. Bei Antrieben werden vor allem in Berlin Jobs eingespart, die Turbinenwerke in Görlitz und Leipzig sollen geschlossen werden.
Das Thema wird in der Politik diskutiert. Die Gewerkschaft wirft der Konzernleitung Schlafmützigkeit vor. Die Energiewende sei schon länger bekannt, so der Einwand. Man habe versäumt, sich zeitig auf Felder wie Erneuerbare Energien zu konzentrieren. Viel heißer Wind, der aber auch nicht reicht, um die Flaute in der Windkraftsparte zu beleben – die es schon längst gibt.
Wandel vom Riesentanker zum Flottenverband
Dennoch: Auch wenn die Zahlen teils hinter den Erwartungen liegen, Siemens geht es nicht besonders schlecht. Zudem war die Ankündigung nicht gerade ein Imageträger und eher geeignet, die Angst vor massiven Jobverlusten erst in der globalisierten und bald in der digitalisierten Welt zu schüren. Vorverhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern nach bewährtem Muster hätten gewiss nicht geschadet. Und noch mehr verdrossene Protestwähler braucht es nicht.
Wer dem Zwang zum Wandel unterliegt, sollte diejenigen mitnehmen, die für Erträge sorgen. Wenn Außenstehenden schon kaum zu vermitteln ist, warum bei 6,2 Mrd. € Gewinn und erwarteten 10 Mrd. € Erlösen aus dem Spinoff der Medizinsparte derart herbe Einschnitte nötig sind, wäre es durchaus sinnvoll, bei der Restrukturierung einen Gang behutsamer zu fahren. Noch ist der Wandel vom Riesentanker zum Flottenverband nicht vollzogen.
Selbst die britische Investmentbank Barclays sieht den Konzern noch nicht ganz reif für die Aufspaltungen. Obwohl sie der beste Weg zur Wertschöpfung seien, kämen sie zu abrupt und verursachten hohe Kosten, die sich in einem Jahr zusammenballen. Dass etwas mehr Ruhe manchmal gut tut, zeigt etwa der Bereich Prozessindustrie und Antriebe, der jüngst wieder in die Gewinnzone drehte. Hervorragend läuft es zudem in der Automatisierung oder bei Energienetzen. Zurzeit ist die Siemens-Aktie leicht unterbewertet. Rücksetzer könnten für Anleger eine gute Gelegenheit sein.