Gorillas geht zum Schnäppchenpreis an Getir
Schon seit längerem kursierten Gerüchte über eine mögliche Übernahme des kriselnden Berliner Lebensmittel-Lieferdienstes Gorillas. Am vergangenen Samstag wurden aus den Gerüchten eine Tatsache.
In einem kurzen LinkedIn-Beitrag teilte der in Istanbul ansässige Lieferdienst Getir mit, dass er Gorillas übernommen hat. Wörtlich schrieb Getir: Als weltweiter Pionier für ultraschnelle Lebensmittellieferungen sind wir stolz darauf, die Übernahme des Berliner On-Demand-Lieferdienstes Gorillas bekannt zu geben.
Übernahme zum Schnäppchenpreis
Bereits am Freitag hatte Serkan Borancili, einer der Gründer von Getir, in einem Twitter-Tweet kundgetan, was Getir für den Berliner Bringdienst auf den Tisch blättern muss: 1,2 Mrd. US-Dollar (USD – etwa 1,14 Mrd. Euro) zahlen die Türken für den Erwerb des Mitbewerbers.
Laut einem Bericht der Financial Times sollen die Gorillas-Investoren – zu denen Delivery Hero, Coatue Management, Tencent und DST gehören – den vereinbarten Kaufpreis in Getier-Anteilen erhalten. Einige der Investoren werden zusätzlich rund 40 Mio. USD in bar ausgezahlt bekommen.
1,2 Mrd. USD sind sicherlich eine schöne Summe, aber der Kaufpreis liegt deutlich unter den letzten Bewertungen von Gorillas. So war das Berliner Startup Ende 2021 in einer Finanzierungsrunde noch mit 2,1 Mrd. USD taxiert worden. Doch diese Einschätzung geschah noch in Zeiten des Corona-Lockdowns, als Lieferdienste wie Gorillas stark nachgefragt wurden.
Gorilla wurde in Corona-Zeiten gehypt…
Der Berliner Lieferdienst ist ein junges Startup, das von Kağan Sümer in 2020 gegründet wurde. Gepusht wurde das Liefergeschäft der Gorillas Operations Germany GmbH & Co KG – so der offizielle Firmenname – durch die Corona-Pandemie, die die Nachfrage nach Bringdiensten in die Höhe schießen ließ.
Diese Entwicklung führte dazu, dass Gorillas schon ein Jahr nach Gründung als Einhorn bejubelt wurde. Hierzu müssen Sie wissen: Als Einhörner werden Startups bezeichnet, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden.
Dieser Hype führte auch dazu, dass Kapitalgeber das Berliner Einhorn großzügig mit finanziellen Mitteln unterstützten. In 4 Finanzierungsrunden konnte Gorillas mehr als 1,3 Mrd. USD an frischem Kapital einsammeln.
Unter den Investoren befand sich auch der Mitbewerber Delivery Hero, der 200 Mio. Euro in Gorillas steckte und dafür 8% der Gorillas-Anteile erhielt.
…und stürzte danach ab
Doch so schnell wie das Berliner Startup zum Einhorn aufgestiegen war, so schnell stürzte es auch wieder ab. Dies hatte gleich mehrere Gründe: Mit Abklingen der Corona-Lockdown-Phase ließ die Nachfrage nach Lebensmittel-Bringdiensten deutlich nach.
Hinzu kamen interne Querelen: Mehrere Vorstandsmitglieder verließen den Bringdienst nach nur kurzer Amtszeit wieder. Und bis heute ist es dem Startup nicht gelungen, Gewinne einzufahren: Laut Presseberichten soll Gorillas Ende letzten Jahres monatlich zwischen 60 und 90 Mio. Euro verbrannt haben.
Auch durch negative Presseberichte wurde der einst so schillernde Ruf des Startups stark angekratzt. So stellte sich das Unternehmen quer, als die Angestellten einen Betriebsrat gründen wollten. Ende 2021 kam es zu wilden Streiks und Entlassungen.
Auch in Sachen Datenschutz wurde Gorillas öffentlich kritisiert. So sollen im Frühjahr 2021 aufgrund mangelnder Datenschutzvorkehrungen rund 200.000 Kundendaten frei im Internet verfügbar gewesen sein.
Wie es weitergehen kann
Laut Financial Times ist damit zu rechnen, dass in Folge der Übernahme zahlreiche Stellen abgebaut werden. So sind beide Lieferdienste in einigen europäischen Metropolen doppelt vertreten. Hier kann es z.B. zur Schließung von Lagerkapazitäten und Entlassung von Kurierfahrern kommen.
Darüber hinaus wird erwartet, dass der Gorillas-Mitgründer, Kağan Sümer, das Unternehmen verlassen wird. Inwiefern es Getir gelingen wird, Gorillas nach der Übernahme in die Gewinnzone zu bringen, bleibt abzuwarten.